Knallhart gegen China – und trotzdem erfolgreich

Wie scharf kann der Westen seine Interessen gegenüber China vertreten? Kein Land ist dabei so selbstbewusst wie Australien. Nach Jahren des diplomatischen Konflikts zeigt sich nun: Die Konfrontations-Strategie ist erfolgreich.
22½ Stunden verbrachte Australiens Außenministerin Penny Wong vergangene Woche in Peking. Das ist deswegen bemerkenswert, da Australien in den vergangenen Jahren bei der chinesischen Regierung schwer in Ungnade gefallen war. Canberra wurde zur „Persona non grata“. Oder wie ein chinesischer Beamter einst sagte: „China ist wütend.“ Und: „Wenn Sie China zum Feind machen, wird China der Feind sein.“
Australien hatte sich China – den größten Handelspartner des Landes – gleich mit mehreren Aktionen zum Feind gemacht: 2018 schloss das Land die chinesische Telekommunikationsfirma Huawei beim Ausbau des 5G-Netzes aus. Im Anschluss wurden mehrere chinesische Investitionsprojekte in Australien abgelehnt.
Australien stieg aus der sogenannten „Belt and Road“-Initiative aus, ein Projekt, über das China weltweit in milliardenschwere Infrastruktur-Projekte investiert. Canberra mahnte chinesische Menschenrechtsverletzungen an, beispielsweise gegen die uigurische Minderheit. Eine diplomatische Eiszeit läutete aber vor allem Australiens Forderung nach einer internationalen Untersuchung zu den Ursprüngen von Covid-19 ein.
Peking statuierte daraufhin ein Exempel an Australien: Die chinesische Regierung verhängte massive Strafzölle auf australische Weine und hohe Tarife für Gerste. Letzteres veranlasste die Australier, eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation einzureichen. Kohleimporte wurden blockiert und Handelsbarrieren erschwerten das Geschäft der australischen Baumwolle-, Rindfleisch- und Hummer-Produzenten.
Im August 2020 wurde die australische Journalistin Cheng Lei festgenommen, wenige Monate später der Schriftsteller und Demokratieaktivist Yang Hengjun offiziell angeklagt, nachdem er fast zwei Jahre in Haft verbracht hatte. Lange Zeit war das Verhältnis so schwer belastet, dass selbst Anrufe und Briefe aus Canberra von Peking systematisch abgeblockt wurden.
Australien lehnte sich in der Folge immer mehr in Richtung USA. Den bisherigen Balanceakt zwischen Peking und Washington schien Canberra zwischenzeitlich aufgegeben zu haben. Unter der vorherigen Regierung unter Scott Morrison unterzeichnete das Land gemeinsam mit Großbritannien und den USA das sogenannte AUKUS-Sicherheitsabkommen. Im Rahmen dieser Partnerschaft soll Australien atomare U-Boote erhalten und bei der Entwicklung von Hyperschallraketen kooperieren. Auch mit Japan will man künftig bei Sicherheitsthemen enger zusammenarbeiten. All dies sendete ein klares Zeichen in Richtung Peking.
Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen versuchte die chinesische Regierung wieder eine Annäherung. „China sucht seit etwa einem Jahr nach einem Ausweg aus seinem bilateralen Streit mit Australien“, sagte Benjamin Herscovitch, ein China-Experte der Australischen Nationaluniversität in Canberra.
Hilfreich war, dass die Parlamentswahl im Mai einen Regierungswechsel brachte. Schon da gab es Glückwünsche aus Peking. Beim G20-Gipfel auf Bali nahm sich Chinas Präsident Xi Jinping dann 30 Minuten Zeit für Australiens neuen Regierungschef Anthony Albanese.
Und mit Außenministerin Penny Wong war zum ersten Mal seit drei Jahren wieder ein australisches Regierungsmitglied in Peking zu Gast. „Das Eis taut, wenn auch langsam“, kommentierte Wong ihr Treffen mit Außenminister Wang Yi, das anlässlich eines symbolbehafteten Datums stattfand – dem 50. Jahrestag seit Beginn der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern.
Dass die chinesische Regierung damit die diplomatischen Kontakte auf hoher Ebene wieder normalisieren will, dürfe die australische Regierung „zu Recht als Sieg ansehen“, urteilte Herscovitch. Auch Elena Collinson vom Australia-China Relations Institute der University of Technology in Sydney schlussfolgert, das China erkannt habe, dass seine „Wolfskrieger“-Diplomatie nur „gemischte Ergebnisse“ geliefert habe.
Peking strebt bessere Beziehungen mit einigen Ländern an
Das Land habe einen erheblichen Rückschlag erlitten und angesichts seines Mobbingverhaltens die Entschlossenheit mehrerer Nationen gestärkt. Trotzdem zweifelt Collinson daran, dass China diese „diplomatische Philosophie“ vollkommen beiseiteschieben werde – dafür müsse man nur weiterhin die täglichen Bemerkungen des Sprechers des chinesischen Außenministeriums lesen, sich Wang Yis Ernennung zum Politbüro ansehen oder sich an Präsident Xi Jinpings kürzliches öffentliches Düpieren des kanadischen Premierministers Justin Trudeau beim G-20-Gipfel auf Bali erinnern. Trotzdem sei eindeutig, dass Peking zumindest mit einer Reihe von Ländern bessere Beziehungen anstrebe.
Australien scheint einer dieser Nutznießer zu sein, so Herscovitch. Dies liegt vermutlich zum einen an Chinas Drang, nach den Pandemiejahren wirtschaftlich wieder aufzuholen und weiterhin Zugang zu natürlichen Ressourcen zu erhalten. Zum anderen hat laut Collinson aber auch geholfen, dass Australiens neue Labor-Regierung „mehr Konsistenz, Klarheit und Ruhe in die Rhetorik“ bringt.
Chinas Druck hat Australien nicht wirklich nachgegeben – die politischen Positionen Canberras bleiben unverändert. Doch die neue Labor-Regierung „hat sich möglicherweise mit gezielten Sanktionen gegen chinesische Beamte zurückgehalten, um Peking nicht zu verärgern und um diese Verbesserung der bilateralen Beziehungen zu erreichen“, so Herscovitch. Beispielsweise habe die australische Regierung kürzlich eine Reihe von Iranern und Russen sanktioniert. Chinesische Beamte, die von anderen Ländern wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang sanktioniert wurden, seien von diesen Sanktionen jedoch nicht betroffen gewesen.
Kurzfristige Diplomatie und langfristige militärische Abschreckung
Canberra fahre eine „klare Doppelstrategie“, urteilte ein Kommentator des „Sydney Morning Herald“. Kurzfristige Diplomatie werde mit langfristiger militärischer Abschreckung gepaart. Während Außenministerin Penny Wong sich bemühe, eine produktive diplomatische Beziehung zu Peking wiederherzustellen, baue Verteidigungsminister Richard Marles die australische Verteidigungsstreitmacht um und bereite das Land auf einen möglichen militärischen Konflikt mit China vor.
Dass die Australier den Chinesen gegenüber weiter misstrauisch sind, zeigte nicht zuletzt auch Wongs Besuch in Peking. So schlief die Flugzeugbesatzung trotz eisiger Kälte über Nacht an Bord des australischen Regierungsjets. Man wollte damit sicherstellen, dass das Flugzeug in keiner Weise manipuliert werden konnte, wie einer der mitreisenden Journalisten vom „Sydney Morning Herald“ preisgab. Auch die Redakteure selbst seien allesamt mit neuen Telefonen, Telefonnummern und Laptops ausgestattet worden, die am Ende der Reise wieder entsorgt wurden.